Die Entwicklung des Dorfes
4 Hufen1Hufen - frühmittelalterliches Flächenmaß, das als Bemessungseinheit zur Erhebung der herrschaftlichen Abgaben und Dienste diente.
Es variierte in seiner Fläche je nach Land und Bodentyp von etwa 5 bis 30 Hektar .
- 1 Hufe (Brandenburg) = 17,0215 ha (30 große Morgen, 400 Quadratruten)
- 1 preußischer Hufen = 16,5 ha (66 preußische Morgen) maß 1375 die Fläche der Besitzungen derer von Knoblauch in Pessin, 1 Hufe gehörte zur Pfarrei und insgesamt hatte Pessin 52 Hufen. Ebenso sind ein gut gehender Krug (Wirthaus) und eine Windmühle wähnt.
Trotz der mordenden und plündernden Landsknechte und Söldner des Dreißigjährigen Krieges und seinen Nachwehen wie die Pest entwickelte sich Pessin unter der Herrschaft derer von Knoblauch stetig. 17 Hüfner und 26 Kossäten hatte Pessin im Jahre 1624 neben den Knoblauchschen und Bredower Gütern. Bereits 439 Einwohner zählte das Dorf im Jahre 1779. Selbst die Napoleon Bonaparte und seine Franzosen während der Koalitionskriege von 1792 bis 1815 konnten die Entwicklung von Pessin nicht stoppen. So hatte Pessin 475 Einwohner in Jahre 1805 und es gab 2 Güter (Knoblauch und Bredow), 8 Ganzbauern, 10 Ganzkossäten, 1 Büchner, 19 Einleger als landwirtschaftliche Betriebe, daneben 1 Windmühle, 2 Ziegeleien und 1 Schmied. 1860 hatte Pessin mit 650 Einwohner bereits die heutige Einwohnerstärke erreicht.
Im Jahre 1839 war Herr Spillner, Prediger in Pessin so steht es verzeichnet in "Das dritte brandenburgische Reformationsjubiläum" Seite XI von 1839 und im Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin, Jahrgang 1852, Seite 124 , (Stück 14 vom 02.04.1852) ist zu finden, dass es in Pessin einen Chor bzw. "Gesangvereine für junge, der Schule bereits entwachsene Leute, theilweise mit liturgischem Zwecke und zur Verbesserung des Kirchengesanges, überall auch zur Veredlung des Sinnes und Treibens der jungen Theilnehmer bestanden unter Leitung und von uns beifällig anerkanter Bemühng sachkundiger Ortsgesitlichen, Kantoren und Lehrer" gab. Ebenso erwähnt ist einen "Lesezirkel und Büchersammlung zur Belehrung und nützlichen Unterhaltung für Schüler und Erwachsene" (Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin, Jahrgang 1852, Seite 124/125 , (Stück 14 vom 02.04.1852)) , welche zur damaligen Zeit unter Aufsicht der Dorfgeistlichen oder des Dorflehrer gegründet und betrieben wurden.
Kreisbahn Rathenow-Senzke-Nauen (RSN)
Am 02. April 1900 nahm die Kleinbahn (Spurweite 750 mm) auf den Strecken zwischen Rathenow und Paulinenaue ihren Betrieb auf und am 01. Oktober 1901 nahm sie ihren Betrieb auf der Strecke zwischen Senzke und Nauen auf. Zuerst war sie als Kreisbahn Rathenow-Senzke-Paulinenaue-Nauen (RSPN) unterwegs, örtlich hatte sie verschiedene Beinamen wie „Krumme Pauline“, „Blindschleiche“ oder „Stille Pauline“. Von 1932 bis zum 31. März 1949 verkehrte von unter dem Namen Kreisbahn Rathenow-Senzke-Nauen (RSN). Haupteigentümer war der Kreis Westhavelland, Sitz der RSPN bzw. RSN war Rathenow. Ab 1947 bis 1961 kam die kreiseigene Bahn zuerst unter die Führung der VVB Landesbahn Brandenburg und anschließend unter die Führung der Deutschen Reichbahn (01. April 1949) mit Sitz in Nauen. Am 20. September 1901 erhielt Pessin offiziell einen Haltepunkt der Kreisbahn Rathenow-Senzke-Paulinenaue-Nauen (RSPN) auf Grund der eisenbahntechnischen und landespolizeilichen Abnahme, der Eisenbahnbetrieb wurde jedoch offiziell erst zum 01. Oktober 1091 aufgenommen. Der erste Rübenzug passierte Pessin bereits am 21. September 1901 auf dem Weg von Senzke nach Nauen. Der erste Personenzug, welcher gleichzeitig als Eröffnungszug der Strecke gilt, passierte Pessin am 29. September 1901 anlässlich eines in Rathenow stattfindenden Pferderennens. Pessin hatte nun an eine stetige Verkehrsanbindung an Nauen bzw. Rathenow und besaß neben dem Bahnhof, eine Kühlerei, in der Milch bis zum Transport gekühlt wurde und ein "Gasthaus zur Eisenbahn" (heute Wohnhaus und Lebensmittel-Ausgabestelle der Nauener Tafel, Str. der Jugend 20) mit einer Gartenanlage. Die Kleinbahn Rathenow-Senzke-Nauen (DR) fuhr bis zum 1. April 1961 im Güterverkehr. Die Einstellung des Personenverkehrs erfolgte schrittweise und endgültig bereits gegenüber dem Güterverkehr am 24. Januar 1961. Die Einstellung des Öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) zwischen Rathenow und Kriele erfolgte im August 1945, zwischen Senzke und Wagenitz sowie zwischen Wagenitz und Paulinenaue zum 01. April 1924 und zwischen Kriele und Senzke zum 24. Januar 1961.
Die Gebäude am Haltepunkt waren bis in die 90iger des 20. Jahrhunderts erhalten. Bis Anfang der 2000er fanden auf der Fläche des ehemaligen Haltepunkts die jährlichen Oster- und Herbstfeuer der Freiwilligen Feuerwehr Pessin statt, heute ist der Platz ungenutzt. [mehr]
Einzug der technischen Fortschritte und ihre Folgen
Mit dem Einzug der Elektrizität in Pessin im Jahre 1913 ging der Fortschritt weiter, mit dem Anschluss an das Stromnetz der Überlandzentrale kamen auch neue Gefahren auf die Bewohner von Pessin. So kam es 1919 zu einem tödlichen Unfall eines Landarbeiters, dieser bekam beim Dreschen an der Schalttafel einen elektrischen Schlag. Zum Zeitpunkt des Unfalls war eigentlich eine Stromabschaltung angekündigt, welche jedoch nicht erfolgt war und der Grund und die Umstände der Nichtabschaltung blieben unerklärlich.
Die Bubenstreiche wurden zu dieser Zeit auch immer gefährlicher, nicht nur für die Buben nein auch für etwaige Opfer. Dies bekam der Fahrer eines PKW bei Tempo 60 zu spüren. Dieser fuhr mit seinem PKW über die Berlin-Hamburger Chaussee (der heutigen B5) aus Berlin kommend in ein Drahtseil. Der Fahrer und die zwei zwölfjährigen Täter überlebten den Streich. Die beiden Täter begründeten ihre Tat mit ihrem Forschungsdrang. Wie schnell kippt ein Auto, diese wollten die beiden Täter mittels gespannten Drahtseil über die Straße sehen. Ein Test welcher uns aus heutiger Sicht ein wenig an den Elchtest erinnern lässt.
Die politische Entwicklungen und Wirren nach dem ersten Weltkrieg machte auch vor Pessin nicht halt. So wurde am 27. November 1918 in einer Dorfversammlung über die allgemeine Lage der Nation und über die Aufgaben der Bauernräte diskutiert.
Bei Horst Weikert in der Märkischen Allgemeine vom 23. Februar 2008 war dazu folgendes zu lesen: "An der Diskussion beteiligen sich insbesondere die Gutsherren von Knoblauch und von Bredow sowie der Pfarrer des Ortes. Man kam zum Entschluss, sich den gegebenen Verhältnissen unterzuordnen. Gleichzeitig äußerte man den Wunsch nach Einberufung einer Nationalversammlung."
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde aus den Rittergütern Gutsbezirke, so auch in Pessin und aus den Pessiner „Rittergüter 1. - 6. Anteils“ wurden die „Gutsbezirke I. - VI.“.
Ende des Güterwesens
Nach dem Verkauf des Bredowschen Gutes 1928 an die Siedlungsgesellschaft „Deutsche Scholle“ wurde es in Siedlerstellen aufgeteilt und die entstanden Flurstücke an Kaufinteressenten veräußert. Eine Tatsache die mit Sicherheit nicht nur am Verkauf allein zu begründen ist, sondern sicherlich auch am preußische Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts vom 27. Dezember 1927 lag. Dessen § 11 grundsätzlich die Aufhebung der Gutsbezirke vorgeschrieben. So entstanden in der Zeit von 1929 bis 1931 die Siedlung am Dorfplatz, an der Hamburger Straße, am Retzower Weg, am Friedhof und an der heutigen Straße der Jugend - was das bisherige Dorfbild wesentlich veränderte. Die Auflösung der Gutsbezirke zum 30. September 19282Sonderausgabe des Amtsblatts für den Regierungsbezirk Potsdam Nr. 7 vom 4. Oktober 1928 - Bekanntmachung des Regierungspräsidenten (Kommunalbezirksveränderungen - Nrn. 743 Lfd-Nr. 37 und 38 - Die Auflösung der Gutsbezirke mit Wirkung vom 30. September 1928) betraf die Knoblauchschen Güter ebenso und so wurden die Gutsbezirke I, II und III mit Gemeindebezirk Pessin vereint und das Vorwerk „Rother Husar“ bis zum Gänselakengraben kam zum Gemeindebezirk Paulinenaue.
Interessante Funde
Der Havelländer Heimatverein machte sich mit der Kleinbahn auf den Weg von Rathenow nach Pessin. Ziel dieser Reise war der Besuch einer prähistorischen Stelle, wo für das Rathenower Museum bedeutende Funde gemacht wurden. Auf der Feldmark der Knoblauchschen Güter wurde zwischen Pessin und Paulinenaue seit Jahren beim Pflügen alte Scherben und andere Gesteinsbrocken gefunden. Im Sommer 1911 stieß man erneut auf Funde, welche jedoch größer waren. Diese erneuten Funde wurden gemeldet und anschließend begutachtet. Sie wurden schließlich als Urnen mit Leichenbrand und Beigaben aus Eisen und Bronze deklariert. Auf Wunsch des Herrn von Knoblauch wurden weiter Untersuchungen unter der Federführung des märkische Frühgeschichtsforscher Albert Kiekebusch (1870-1935) durchgeführt. Seine Ergebnisse dokumentierte Kiekebusch in einem Artikel in der "Praehistorischen Zeitschrift" von der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Walter de Gruyter & Co - 1912.
Pessin und Paulinenaue
Bis 1914 gehörte die „Bardelebenschen Meierei“, welche 1830 zum Vorwerk erhoben wurde und seit 1833 den Namen Paulinenaue trägt zu Pessin. Ursprünglich gehörte sie einmal zu Selbelang, jedoch wurde sie bereits 1420 im Landbuch der Mark Brandenburg als Besitzung derer von Knoblauch erwähnt. Bereits 1912 wurden die Pessiner Gutsbezirke IV, V und VI, sowie das Vorwerk Paulinenaue gem. des Umbenennungsbeschlusses vom 05.12.1912 ein selbständiger Gutsbezirk, welcher 1914 aufgrund von finanziellen Problemen des Herrn von Knobloch zu Pessin an den Grundstücksmakler Staroßte veräußert wurde. Trotz des Verkaufes blieb Paulinenaue bis zur Entstehung der selbständigen Gemeinde 1924 dem Amtsbezirk Pessin und dem Pessiner Standesamt zu gehörig, letztes war selbst 1932 noch für Paulinenaue zuständig. Bis 2016 gehört Paulinenaue zum evangelischen Pfarrsprengel Pessin und dies obwohl der Pfarrer und das Gemeindebüro bereits seit den 1960er in Paulinenaue beheimatet sind.
Freiwillige Feuerwehr Pessin
Am 13. Juni 1933 wurde die Freiwillige Feuerwehr Pessin gegründet, ihre erste große Bewährungsprobe hatte die junge Feuerwehr in der Nacht vom 15. zum 16. März 1935. Den zahlreichen Alarmierungen zum Zwecke der Übung folgte in dieser Nacht auf Grund eines Scheunenbrandes beim Schmiedemeister der erste reale Feueralarm. Im April 1936 musste die Feuerwehr erneut ausrücken, die Scheue der von Brakeschen Schäferei stand im Flammen. Der Pessiner Feuerwehr fehlte es an der ausreichenden Anzahl an Schläuchen und so wurde die Nachbarwehr aus Paulinenaue zur Hilfe gerufen.
Für den Wagenbauer Krüger kam die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr zu spät, die Wagenbauerei mit sämtlichen Maschinen und Werkzeugen fiel bereits in den Morgenstunden des 31. Januar 1918 dem Feuer zu Opfer.
2008 wurde auch aus diesem Grund am 04. und 05. Juli 2008 der 75. Jahrestag der Freiwillige Feuerwehr im Rahmen des Pessiner Dorffestes ausgiebig gefeiert. [mehr]
2016 endete nach langen Ringen um den Erhalt der Ortswehr Pessin der Freiwillige Feuerwehr des Amtes Friesack, wie unsere Feuerwehr zu diesem Zeitpunkt offiziell hieß, die Ära der Freiwilligen Feuerwehr in Pessin.
Schwimmzentrum Pessin
1936 wurde die letzte Pessiner Windmühle auf dem so genannten Napoleonhügel abgerissen. Diese war nur bis 1927 in Betrieb. Die Windmühle war zu letzt im Besitz der Familie Schröder, vormals einst den von Bredows sowie der Familie Vogelheer und Marzilger. Im selbigen Jahr des Abrisses begann man mit der Pflasterung der Dorfstraße.
1937 entstand am Havelländischen Großen Hauptkanal an der Luchbrücke zu Senzke eine Badestelle für jedermann. Badegäste gab es am Kanal jedoch schon vorher, diese bevorzugten jedoch den Kanal in der Nähe Hamburger Chaussee (der heutigen Bundestrasse 5). Die Schulkinder der Umgebung lernten hier das Schwimmen, denn die Schule nutzen die Badestelle für den Schwimmsport. Sogar Meisterschaften im Schwimmen sollen dort ausgetragen worden sein. Sehr lange überdauerte die Badestelle am Kanal nicht.
Bereits 1939 wurde für die 666 Einwohner (fast heutiges Niveau) in den 68 Pessiner Wohnhäusern mit den Arbeiten für ein Pessiner Freibad begonnen. Der weitere Schwimmunterricht wurde so angesichert.
Erläuterung:
Hufen - frühmittelalterliches Flächenmaß, das als Bemessungseinheit zur Erhebung der herrschaftlichen Abgaben und Dienste diente.
Es variierte in seiner Fläche je nach Land und Bodentyp von etwa 5 bis 30 Hektar .
- 1 Hufe (Brandenburg) = 17,0215 ha (30 große Morgen, 400 Quadratruten)
- 1 preußischer Hufen = 16,5 ha (66 preußische Morgen)
Literatur-Nachweis
1. Codex diplomaticus Brandenburgensis - Band 10 Seite 120/121 von 1856
2. Andreae, A./Geiseler, U., Die Herrenhäuser des Havellandes, 2001, ISBN 3-931836-59-2
3. Theodor Fontane: Das Ländchen Friesack und die Bredows - Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-7466-5707-5
4. Dr. Henning v. Koss: Das Ländchen Friesack und die Bredows - Eine Wanderung durch sechs Jahrhunderte, Märkische Verlagsgesellschaft Kiel, Kiel 1965, ASIN: B0000BKF0C
5. Kreil: Amtsbereich Friesack - Streifzüge durch Ländchen und Luch -, Geiger-Verlag (1996), ISBN 3-89570-131-9
6. Klaus-Dieter Wille: Von Ort zu Ort durchs Havelland, Stattbuch Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-922778-57-7
7. Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon, von Prof. Dr. Ernst Heinrich Kneschke, 1860 bei Friedrich Voigt in Leipzig
8. Neues Preussisches Adels-Lexicon,von Freiherr Leopold Zedlitz-Neukirch, 1836 bei Gebrüder Reichenbach in Leipzig [mehr]
9. Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band VI, Seite 320, Band 91 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1987
10. www.rootsweb.com
11. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser, Teil B 1941, Verlag Justus Perthes, Gotha 1941
12. Amtsblatt 1912 - (Stadt und Landesbibliothek Potsdam (StLB))
13. Sonderausgabe des Amtsblatts für den Regierungsbezirk Potsdam Nr. 7 vom 4. Oktober 1928 - Bekanntmachung des Regierungspräsidenten (Kommunalbezirksveränderungen - Nrn. 743 Lfd-Nr. 37 und 38 - Die Auflösung der Gutsbezirke mit Wirkung vom 30. September 1928)
14. Horst Weikert - Beiträge in der Märkischen Allgemeine vom Januar bis Mai 2008